Wer sich unter einem Schriftsteller bislang einen geistigen Menschen vorgestellt hatte, wird in den jüngst erschienenen Tagebüchern Walsers eines Besseren belehrt: Walser bringt das Kunststück fertig, auf über 600 Seiten nicht eine einzige literarische Frage, nicht ein einziges ästhetisches Problem zu behandeln. Am Ende der Lektüre empfindet der Leser nicht nur Ekel vor einer derart geistlosen Figur wie Walser – er ist auch objektiv dümmer geworden: kein Mensch erträgt ein solches Maß an Kleinkariertheit, Beschränktheit und Larmoyanz, ohne dabei Schaden an seiner geistigen Gesundheit zu nehmen. Seite für Seite gewährt Walser freimütig Einblick in seine feige Spießerseele, die unablässig beschäftigt ist mit der Sorge um Platzierungen auf der Bestsellerliste, Liebedienerei vor Kritikern, Neidbeißerei gegenüber besseren und erfolgreicheren Autoren, dem Ausbreiten nur zu begründeter Minderwertigkeitsgefühle, dem Beschwören der eigenen völkischen Zugehörigkeit, der penetranten Neugierde des Rassenkundlers und vor allem dem Pampern der vier zickigen Töchter.
Überhaupt scheinen Mitglieder der Familie Walser von rassischen Obsessionen besessen: Walsers Gattin Käthe betreibt Schädelkunde, also jenen Ableger der Rassepolitik, dem in verflossenen Zeiten wissenschaftliche Weihen zuteil wurden. Walser selbst ist unentwegt mit der Frage befasst, ob seine Gesprächspartner nun jüdischer Abstammung sind oder nicht, und auch Tochter Alissa treibt die Frage ihrer genetisch-biologischen Herkunft um. Ruth Klüger erinnert Walser daran, dass dieser bereits in den 50er Jahren auf ihren Antisemitismusvorwurf nichts anderes zu erwidern gewusst habe, als dass er doch Kafka läse, als hätte es nicht auch unter Nazis nicht etliche Mendelssohn-Liebhaber gegeben. Walsers Sippe entpuppt sich als geistig regredierter Clan, der keinem seiner Mitglieder die Chance zur Individuation gibt und alle nur als Exemplare eines Stammes gelten läßt, von denen absolute Fügsamkeit verlangt und entboten wird. So schreibt Walser anläßlich der Taufe eines Enkels: „Aber du gehörst nicht nur zu einer Kirche, du heißt auch Walser, damit gehörst du zu einer Familie und dazu noch zu einem Stamm.“ Ein gnädiges Schicksal in Gestalt eines frühen Todes ersparte dem Sprößling ein Leben als Hottentotte am Bodensee, das unter diesen Voraussetzungen nur zu einer verpfuschten Existenz hätte führen können. Unter Papas Fuchtel wachsen die Walsertöchter zu peinlichen Parodien ihres Erzeugers heran. Mitleiderregend ist es, wie Walsers Töchter sich nicht die kleinste geistige Abweichung von dem Weg gestatten, den Papa ihnen bahnt. Verächtlich ist es, wie sie alle aufs Wort gehorchen und brav das Stöckchen apportieren, das Papa ihnen hinschmeißt. „Für die Europawahl haben wir 4 SPD-Stimmen gestellt. Wenn Johanna in Köln wählen und auch SPD wählen würde, sogar 5“, meldet Papa stolz, den es, wie alle Kleinbürger, zur Sozialdemokratie zieht. Bei den Walsers gilt das Führerprinzip, und die Töchter sind willige Vollstrecker von Papas Willen, denn auf sich gestellt reihen diese Pleite an Pleite aneinander. Kein anderer Autor des 20. Jahrhunderts hat ein solches Maß an künstlerischer Unfähigkeit hervorgebracht wie Walser in Gestalt seiner drei schreibenden Töchter, die sich zu ihrem Erzeuger verhalten wie die Nullen hinter dem Komma zu der Null vor dem Komma. Tatsächlich sind Walsers Töchter der Alte, wie er leibt und lebt: dieselbe geistige Inferiorität, dieselbe Gefallsucht, präpotente Dummheit zeigen sich in ihren Äußerungen, die Papa mit Vaterstolz wiedergibt: ob die 13jährige Theresia mit obsessivem Haß auf klügere und hübschere Mitschülerinnen ihre Intrigen spinnt, Alissa ihr eigenes künstlerisches Versagen durch Papas Protektion zu kaschieren sucht oder Johanna von Papas Beziehungen profitiert: Unausgesetzt antechambriert Walser im Dienste seiner talentfreien Replikanten, legt sich für sie ins Zeug, verschafft ihnen Jobs, Studienplätze, Publikationsorte, Eigentumswohnungen und ruiniert sie dadurch charakterlich vollends. Das totale Scheitern seiner Töchter auf dem Felde der Literatur wird umso eklatanter, wenn man sich Papas Protektionsbemühungen in einem durch und durch korrupten Literaturbetrieb vor Augen führt.
Walsers Eingeständnis „ich habe nichts erreicht, gemacht, gehabt, geliebt außer diesen Kindern, sie sind mein Ein und Alles“ kommt einer Bankrotterklärung gleich, denn diese sind, wie Walser sehr wohl ahnt, zickige, unbegabte Attrappen ihres Vaters. Jeder Vergleich mit anderen Kindern führt Walser dies schmerzhaft vor Augen. Und so führt der Neid auf gelungene, glückliche, schöne Wesen Walser wie allen Zukurzgekommenen die Feder. „So wie ich die Töchter nicht ertrage in Gesellschaft von schöneren Mädchen. Ich will nur solche Gesellschaft, dass unsere Töchter dadurch schön werden (…). Ich will keine uns herabwürdigende Gesellschaft.“ Walsers Familienleben war für ihn Tag für Tag ein Spießrutenlaufen, denn schönere Wesen als seine reizlosen Töchter dürften ihm auf Schritt und Tritt begegnet sein. Und so hält sich der frustrierte Papa schadlos, indem er die hübsche 15jährige Nachbarstochter beim Nacktbaden beobachtet. Denselben Prüfungen wird walser im Blick auf seine Gattin Käthe ausgesetzt: „Mir tut es weh, wie die Blicke junger Menschen auf Käthe und mir einschlagen, wie Granaten, und von uns nur Zerstörung übriglassen. Ich ertrage uns nur allein. Auf jeden Fall nicht mit Jüngeren.“ Man kann es verstehen, wenn der notgeile Walser Frauen, die attraktiver sind als seine unansehnliche Käthe – also alle – schmachtend in den Ausschnitt linst. Ohneein scheint Walser bereits in jüngeren Jahren der dirty old man gewesen zu sein, der dann als Greis obszön-schmierige Romane schreibt. So hat er bei einem Aufenthalt in NY nichts Besseres zu tun, als ein Pornokino zu frequentieren, was er sich am Bodensee anscheinend nicht traut. Der vEkel, der den Leser bei der Lektüre fasst, ist Walsers eigener vor sich selbst: „Solche wie mich verachte ich. Mich aber nicht.“ S. Unselds Urteil über Walser trifft den Nagel auf den Kopf: „Du bist genauso naiv und provinziell wie deine Töchter.“
Selbst walsers AQlpträume sind an Belanglosigkeit kaum zu überbieten: „Geträumt, dass Ch. Wolf auf drei Listen auf Platz 1 stehe.“ Man braucht keinen Psychoanalytiker, um der deprimierenden Banalität einer solchen Krämerseele auf die Schliche zu kommen.Als Gschaftlhuber nervt er seinen Verleger permanent mit Fragen nach den Absatzzahlen seiner Bücher, bis dieser gar nicht mehr antwortet und kontrolliert im Stile eines Kleinhändlers Woche für Woche die eigene Platzierung auf der Bestsellerliste. All dies ist ungefähr so erkenntnisstiftend, als würde jemand die Bundesligatabellen der Jahre 79-81 runterbeten.
Walser, der intellektuell nichts in die Waagschale zu werfen hat, geriert sich wie alle Kleingeister als alerter Adabei: „So habe ich mehr oder weniger kennengelernt die 4 großen jüdischen Geister Bloch, Adorno, Scholem und Marcuse“, vermerkt er stolzgeschwellt. Er hat sie weniger als mehr kennengelernt, denn dass er diesen nicht zu sagen hatte und diese ihn nicht mal zur Kenntnis nahmen, verschweigt er geflissentlich.
An interessantem Klatsch hat der Band nur zu bieten, dass der Kommunist Gremliza seinen Sohn auf das Milliardärsinternat Salem schickt, damit dieser dort mit dem Klassenfeind fraternisiere, mit dem Vater angeblich gar nichts zu tun haben will. Im Ganzen finden sich exakt 2 Erkenntnisse: 1. Wenn Hitler keinen Krieg angefangen hätte, wäre Deutschland heute ein erfolgreicher faschistischer Staat. (…) Ich wäre ein faschistischer Schriftsteller geworden.“ So groß ist die Differenz nicht: heute ist er ein antisemitische Hetze verbreitender Autor. 2. „Die unterste Kategorie der öffentlichen Meinung und des Showbusiness: das bin ich.“ Dem ist nichts hinzuzufügen. (MDML, 51)